Saturday 6 February 2016

Howl (2010)

Überzeugt weder als Gedicht-Portrait, noch als intellektuelle Biografie des Autors

1956 erschien ein Gedichtband mit dem Titel »Howl and Other Poems«. Autor: Allen Ginsberg (James Franco). Das Büchlein sollte sich als Wahrzeichen der so genannten Beat Generation entpuppen. Da das Titelgedicht »Howl« allerdings nicht mit verbaler Zurückhaltung glänzte, wurde dessen Verleger Lawrence Ferlinghetti (Andrew Rogers) der Obszönität angeklagt. Der nachfolgende Prozess ist auch eine Attacke auf die künstlerische Freiheit: Darf ein Poet auf „schmutzige“ Worte zurückgreifen, wenn es für die Botschaft seines Werkes unerlässlich ist?

Rob Epsteins und Jeffrey Friedmans Film Howl hat in erster Linie eine Hauptfigur: Es ist das literarische Werk »Howl« selbst. Weite Teile des Gedichts werden im Film rezitiert. Begleitet wird der Text von Animationen, die von Eric Drooker inspiriert sind. Auch der Dichter kommt zu Wort: Während sich Ferlinghetti als Angeklagter rechtfertigen muss, beantwortet Ginsberg wortgewandt die Fragen eines Journalisten. Er erinnert sich zurück an die Umstände, die sein Skandal-Gedicht entstehen liessen. Dazwischen wird regelmässig zur ersten öffentlichen Lesung von »Howl« in der Six Gallery geschnitten.

So schön es ist, einen Film zu sehen, der sich allein mit einem Gedicht beschäftigt, so auffällig sind doch die Probleme, die Epsteins und Friedmans Howl zu schaffen machen. Zunächst gelingt es den Animationen kaum, die emotionale Wucht von Ginsbergs Gedicht zu transportieren. Die Bilder wirken zu ruhig, gemächlich, ja fast platt. Da ist die Lesung in der Six Gallery intensiver: Überhaupt macht James Franco (127 Hours) als Allen Ginsberg keine schlechte Figur.

Der grösste Makel des Films liegt allerdings in der Tatsache begründet, dass sich Langeweile breit macht, sobald es nicht mehr ums Gedicht geht. Ginsbergs philosophischen Erörterungen im Interview sind fraglos interessant, aber letztlich scheinen sie dann doch etwas zusammenhangslos. Ginsbergs Lebensgeschichte wird gerade Mal so in Stichpunkten abgeklappert, ohne dass man wirklich ein Gefühl dafür bekommt, wie seine Vergangenheit aussah. Wichtige Bekannte werden in zwei, drei Szenen abgespeist, dann gibt’s die nächste »Howl«-Passage. Das funktioniert so nicht.

Man mag einwenden, es ginge gar nicht darum, Ginsberg und seinen Bekanntenkreis zu portraitieren, sondern eben nur um das Gedicht. Dann jedoch hätte man eine radikalere Zugangsweise wählen müssen, ohne sich ständig dem klassischen Erzählkino anzubiedern. Dass am Ende mit Texttafeln erzählt wird, wie es den Protagonisten ergangen ist, weist klar darauf hin, dass es den Regisseuren eben doch auch um die Figuren gegangen ist. Und wenn man sich an dieser Stelle denkt: »Aber die Leute kenne ich doch kaum, weshalb sollte mich das interessieren?«, dann ist da schon was schief gegangen.

Howl steht zwischen den Stühlen: Als wäre man sich nicht sicher gewesen, ob man ein expressives Gedicht-Portrait, oder ein Hollywood-Biopic drehen wollte. Diese Unentschlossenheit führt dazu, dass der Film in beiden Belangen enttäuscht. Noch dazu ist er gekonnt am Stil der Beatniks vorbei inszeniert. Wer sich für Lyrik oder die Beat Generation interessiert, kann einen Blick riskieren. Es ist sicher lobenswert, dass solche Themen filmisch verarbeitet werden. Trotzdem: Im Grunde hätte man mehr davon, würde man einfach das Gedicht lesen.

5/10

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