Monday 29 February 2016

Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000)

(Die folgende Rezension enthält leichte Spoiler.)

Ein Kampfkunstfilm von ausserordentlicher Poesie

Der geachtete Schwertkämpfer Li Mubai (Chow Yun-Fat) will eine Vergangenheit des Blutvergiessens hinter sich lassen. Er beauftragt seine Kampfgefährtin Yu Xiulian (Michelle Yeoh), das legendäre Grüne Schwert einem gemeinsamen Freund namens Te zu schenken. Kaum jedoch hat Yu das Schwert übergeben, wird es prompt aus dem Anwesend Tes gestohlen. Dieser Diebstahl genügt, um Li Mubai auf den Pfad der Gewalt zurückzuführen. Denn die Spuren führen zum berüchtigten Jadefuchs, der einst Lis ehrwürdigen Meister tötete. Li Mubais Rachepläne verweben sich mit einer Affäre zwischen der eingeengten Gouverneurstochter Jiao Long (Ziyi Zhang) und dem heissblütigen Räuber Luo Yiao Hu (Chen Chang). Und wie steht es mit den Gefühlen, die Li seit Jahren für seine Vertraute Yu Xiulian hegt? Ist den beiden Meisterkämpfern eine gemeinsame Zukunft beschieden?

Mit Crouching Tiger, Hidden Dragon nimmt sich das Gerne-Chamäleon Ang Lee (Hulk, Brokeback Mountain) dem chinesischen Wuxia-Film an, wobei die vorliegende Produktion eben so sehr ein Actionfilm, wie ein romantisches Drama ist. Lees Werk ist dialoglastig ausgefallen. Die Gespräche werden behäbig und steif inszeniert, was dem Film eine nachdenkliche Stimmung verleiht, teilweise aber auch Langeweile erzeugt. Einige Themen, wie etwa das chinesische Frauenbild, werden allzu direkt angesprochen.

Der Film kontrastiert zwei Beziehungen: Die Liebe zwischen Li Mubai und Yu Xiulian ist reif, zurückhaltend und tief, während die Liebe zwischen Luo Yiao Hu und Jiao Long naiv, stürmisch und unüberlegt daher kommt. Das ältere Pärchen hat ihre Gefühle aus Pflicht- und Ehrgefühl jahrelang unterdrückt, vielleicht zu lange. Dagegen ist das jüngere Pärchen bereit, wider jegliche Vernunft und ohne Voraussicht zu handeln. Besonders der Unterschied zwischen den beiden Frauenfiguren Yu und Jiao ist bezeichnend. Yu ist stets bestrebt, die Wogen zu glätten und ihre eigenen Leidenschaften hinten an zu stellen. Jiao folgt ihrem Impuls, der von kindlicher Überheblichkeit nur so strotzt und sich um mögliche Konsequenzen nicht schert. Der Konflikt zwischen Yu und Jiao kumuliert in einer spektakulären Kampfszene, der besten des Filmes; sie ist gleichzeitig ein Widerstreit zweier Wesensarten.

Überhaupt sind die Kampfszenen in Crouching Tiger, Hidden Dragon echte Hingucker. Jeder Kampf hat seine eigene Atmosphäre; sei diese meditativ, romantisch, albern oder todernst. Hier geht es nicht nur darum, dem Publikum möglichst coole Moves um die Ohren zu hauen; die tänzerischen Kampfschritte transportieren Gefühle auf eine Weise, wie ich es noch nie gesehen habe. Lee entwickelt hier eine wunderbare Filmpoesie der Bewegungen. Mit dieser visuellen Ästhetik kann der Plot nicht immer mithalten; wenn er auch durchaus intelligent ist, neigt er doch stellenweise zu argem Kitsch. Die Geschichte spitzt sich denn auch auf eine grosse Tragödie zu, der man Einfachheit und Pathos vorwerfen kann – aber nicht muss, denn das Finale ist unheimlich bewegend und erstickt mit seiner epischen Eleganz jeglichen Zynismus. Der berührende Score von Tan Dun (Hero) tut sein Übriges.

Jiao Long verhält sich dermassen unvernünftig, dass sie selbst den hinterhältigen Jadefuchs als Antagonistin in den Schatten stellt. Li Mubai äussert immer wieder den Wunsch, ihr Meister zu werden. Doch davon will Jiao nichts wissen; sie begnügt sich mit effektvollen, aber leeren Kampftechniken. Ihr jugendlicher Übermut verhindert, dass sich ihr Talent zu echter Meisterschaft ausbildet. Der Konflikt zwischen weisem Meister und uneinsichtiger Schülerin verwebt sich am Ende mit den beiden Liebesgeschichten, sodass die Geschichte auf einen runden Schlusspunkt zuläuft.

Crouching Tiger, Hidden Dragon ist in den Dialogen ruhig und tiefsinnig, in den Kämpfen gefühlvoll und atemberaubend. Fraglich sind allenfalls einzelne humoristische Einlagen und der etwas zähe Mittelteil. Der ausserordentlichen Poesie von Ang Lees Kampfkunstfilm tut dies aber keinen Abbruch. Ein äusserst empfehlenswertes Werk – auch und gerade für jene, die mit dem Genre unvertraut sind.

9/10

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