Saturday 2 July 2016

The Assassin (2015)

„Wer? Weshalb? Wohin?“ Ein sinnloser Wettlauf mit dem Plot

Nie Yinniang (Shu Qi) ist schön, schweigsam und tödlich: Nachdem ihr die Heirat verwehrt wird, lässt sie sich zur Auftragsmörderin ausbilden. Um zu beweisen, dass sie ihrer Berufung gewachsen ist, muss sie eine Aufgabe erfüllen. Sie soll Tian Ji'an (Chang Chen) töten, den Gouverneur der Stadt Weibo. Kein Problem für eine abgebrühte Meisterin der Kampfkunst? Doch, schon. Ji'an war nämlich ihre grosse Liebe. Die beiden hätten einst beinahe geheiratet. Nun aber soll Yinniang ihren ehemaligen Geliebten töten. Wird sie dazu in der Lage sein?

The Assassin von Hou Hsiao-Hsien verknüpft das chinesische Wuxia-Genre mit den ästhetischen Ambitionen eines Arthouse-Filmes. Die Kampfszenen spielen hier eine untergeordnete Rolle. Grösseres Augenmerk wird den Stilmitteln gewidmet, die hier vor allem die Landschaftsaufnahmen betreffen. Diese sehen wirklich todschick aus. Allerdings machen solch malerischen Bilder noch keinen guten Film. Leider muss man The Assassin vorwerfen, dass er hinter seiner schmucken Fassade kaum etwas zu bieten hat. Der Regisseur Hou ist nicht dazu in der Lage, seine hohen Ansprüche einzulösen.

The Assassin basiert auf einem simplen Konflikt: Wird die Assassine ihren Gefühlen folgen, oder ihrer Pflicht? Das ist nun kein besonders originelles Thema. Doch auch aus einer altbekannten Prämisse lässt sich eine spannende Geschichte stricken. Bedauerlicherweise kann davon keine Rede sein: Der Konflikt zwischen Yinniang und Ji'an ist eine blosse Behauptung, emotional bleibt er völlig blass, sodass überhaupt nie Spannung aufkommt. Die Motivationen der Figuren werden weder durch das Drehbuch, noch durch das Schauspiel sichtbar gemacht; meistens stieren die Leute nur vor sich hin. In diesen Gesichtern sind keine tiefen Gefühle lesbar. Vor allem Yinniang steht meist nur stoisch herum. Hou versucht den emotionalen und symbolischen Gehalt des Filmes auf den Stil abzuwälzen. Die bestechenden Landschaftsaufnahmen vermögen die Leere der Geschichte allerdings nicht zu kompensieren. Die Bilder sind einfach nur schön. Das reicht nicht!

Das Drehbuch überflutet die Geschichte mit Nebenplots, die irrelevant, zäh und konfus sind. Yinniang Mutter liefert zu Beginn zwar freundlicherweise ein Exposé, aber die verschiedenen Figuren werden reichlich unbeholfen eingeführt. Dann geht eine Gruppe plötzlich auf Reisen; man weiss weder weshalb, noch wohin. Ein alter Mann vollführt eine Art Voodoo-Zauber. Was ist seine Motivation? Keine Ahnung. Was bewirkt der Zauber genau? Keine Ahnung. Die konfuse Erzählstruktur scheint gewollt zu sein; Hou schickt seine Zuschauer ganz bewusst auf einen Wettlauf mit dem Plot. Und ja, manchmal entsteht dadurch ein Aha-Erlebnis, wenn man dann doch einen Zusammenhang herstellen kann. Das geschieht aber zu selten; das Allermeiste bleibt bis zum Schluss im Dunkeln. Langweile und Verwirrung können durchaus zu ästhetischen Erfahrungen führen; das ist bei The Assassin jedoch nicht der Fall. Es ist nicht einzusehen, welchen Nutzen es hier haben soll, wenn die Zuschauer der Geschichte hinterher hecheln müssen.

Die inhaltliche Leere schlägt auch auf die Kampfszenen des Filmes um. Die Kämpfe in Ang Lees Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000) sind deshalb so bestechend, weil sie von den Konflikten zwischen den Figuren getragen sind. Hier dagegen scheinen die Kämpfe sinnlos, weil man sich mit den Fechtenden nicht identifizieren kann. Meistens mäht Yinniang ohnehin nur namenloses Kanonenfutter nieder. So ist The Assassin ein kurioser Fehlschlag: Er will mehr sein als ein Wuxia-Film, scheitert an diesem Anspruch allerdings grandios: Weder ist die Geschichte tiefsinnig, noch sind die Kämpfe spannend. Einzelne Szenen sind filmisch interessant; etwa, wenn mit Tüchern vor der Kamera Gefühle von Intimität und Verborgenheit beschworen werden. Aber was sollen diese Glanzlichter, wenn der Film als Ganzes nur langweilt und verwirrt?

3/10

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