Wednesday 26 April 2017

Ghost in the Shell (2017)

Gefühl statt Philosophie: Wie man ein richtig gutes Remake dreht

Wer ist Mira Killian? Manche nennen sie eine Maschine; andere nennen sie eine Waffe. Fast wäre Mira bei einem schweren Unfall ums Leben gekommen. Doch die Firma Hanka Robotics birgt ihr Gehirn und pflanzt es in eine synthetische Hülle. Nun arbeitet die Frau mit Roboter-Körper für die japanische Regierung und bekämpft den Cyber-Terrorismus. Als ein mysteriöser Hacker namens Kuze auf der Bildfläche auftaucht, deckt Mira nach und nach ihre wirkliche Vergangenheit auf. Ist sie tatsächlich das, was sie glaubt? Sind ihre Erinnerungsfetzen real, oder pure Illusion? Ist sie letztlich eine blosse Maschinen-Marionette? Immer tiefer dringt Mira in ein gefährliches Gespinst von Intrigen und doppelten Böden …

Nun ist es also da, das amerikanische Remake des Anime-Klassikers Ghost in the Shell  (1995)Naturgemäss wetzten die Fans des Originals ihre Krallen, um diesen Film in Stücke zu reissen. Und natürlich: Wer die Vorlage als Heiligen Gral betrachtet, braucht sich die Realverfilmung gar nicht ernst anzuschauen. Mamoru Oshiis Anime ist philosophisch, abstrakt und kunstvoll, fast artifiziell. Das alles ist Rupert Sanders’ Neuauflage nicht. Sie hat einen spürbar anderen Fokus. Aber muss das schlecht sein? Nein, muss es nicht. Überraschenderweise ist es sogar richtig, richtig gut. Tatsächlich hat Sanders hier ein mustergültiges Remake abgeliefert: Er gewinnt dem Setting eine frische, spannende Perspektive ab. Dieser neue Film kann auf eigenen Beinen stehen, ist aber auch eine respektvolle Verbeugung vor dem Original. Man merkt, dass sich das Team um Ghost in the Shell 2017 grosse Mühe gegeben hat, etwas Ordentliches abzuliefern.

Ghost in the Shell erzählt eine einfachere und direktere Geschichte, als sein Vorgänger. Das ist ärgerlich dann, wenn uns das Drehbuch mit Weisheiten aus dem Glückskeks quält. Wohltuend ist es insofern, als es uns die diffusen und bisweilen prätentiösen Andeutungen des Original erspart. Major Mira (gespielt von Scarlett Johansson) tritt uns hier wesentlich persönlicher entgegen, als die Major im Original. Zu Beginn spielt Johansson ihre Rolle betont hölzern, um mit fortschreitendem Plot immer menschlicher und gefühlvoller zu werden. Überhaupt ist Johansson der Angelpunkt dieses Streifens: Ihre Präsenz ist umwerfend, sie ist ein echter Action-Star. Der Vorwurf, dass die Japanerin Major mit der Besetzung Johanssons „weissgewaschen“ wurde, ist indes doppelter Unsinn. Erstens rockt Scarlett in ihrer Rolle gehörig die Bude (unabhängig davon, ob sie weiss, dunkelgrün oder rosa gepunktet ist), und zweitens wird das angebliche Whitewashing elegant in der Geschichte integriert.

Sanders beginnt den Film mit einer Hochglanz-Optik, die zunächst skeptisch stimmt; war doch das Original vorwiegend geprägt durch eine industrielle, dreckige Atmosphäre. Aber diese kommt mit fortschreitender Laufzeit immer stärker zum Tragen. Viele ikonische Szenen aus dem Anime werden in den Realfilm übertragen. Das misslingt manchmal – etwa bei den Opening Credits, die bei Oshii ästhetisch unerreichbar sind und bleiben. Aber meistens sind sie durchweg gelungener Fanservice. Visuell ist Sanders zuweilen überraschend kunstvoll. Es gibt einige Szenen, die durchaus originell sind: Zum Beispiel, wenn Miras Wut allein durch die schwarze Silhouette Johanssons ausgedrückt wird. Oder wenn sich tausende Kabel zu einem bedrohlichen Gewirr verweben. Die brillanten Bilder rauben einem nicht selten den Atem. Sanders ist noch kein Künstler wie Oshii, aber er ist auf gutem Wege.

Jedenfalls versteht er es, sein Publikum zu fesseln, ohne trivial zu werden. Das liegt vor allem an der Verschiebung vom Philosophischen zum Emotionalen. Während sich Oshii in abstrakten und offenen Fragen verliert, interessiert sich Sanders für das konkrete Schicksal Miras. Und man muss einräumen, dass diese Perspektive im Original tatsächlich zu kurz kommt. Dort ist Major eine leere Hülle, die sich zuletzt geradezu auflöst. Sanders vollzieht hier beinahe die umgekehrte Bewegung: von der leeren Hülle zum Menschlich-Allzumenschlichen. Hier hat man also einen Schwerpunkt gesetzt, der dem Stoff einen erfrischenden Twist gibt und das Universum von Ghost in the Shell um interessante Facetten erweitert.

Auch die kurzen Action-Szenen sind nicht von schlechten Eltern. Eye-Candy, wohin das Auge reicht! Wer sich darüber beklagt, durch diesen gefälligen Stil sei die „Substanz“ des Originals verloren gegangen, der muss daran erinnert werden, dass auch Oshii zu stilistischer Grosssprecherei neigt – und dass Ghost in the Shell 2017 sehr wohl Substanz aufweist, wenn auch eine andere. Wahr ist, dass die Geschichte etwas simpel ausgefallen ist. Störend ist zum Beispiel der platte Bösewicht. Allerdings ist Miras Suche nach ihrer Identität wahrhaft packend. Es ist fast wohltuend, dass man sich nicht allzu lange mit tief schürfenden Fragen aufhält und bald zur Sache kommt. Das zeigt, dass man sich über den Fokus und die Stärken des Filmes im Klaren ist – und wohlweislich auf ein psudo-intellektuelles Vollzitat verzichtet. Manchmal sind es eben auch die kleinen Freuden, die einen Kinobesuch ausmachen: Welcher Freund des japanischen Filmes muss nicht grinsen, wenn Takeshi „Beat“ Kitano als Aramaki ein waschechter Badass sein darf?

Rupert Sanders’ Ghost in the Shell ist eine grosse Überraschung; eine würdige, wenn auch etwas zu glatt polierte Neuverfilmung des Sci-Fi-Animes. Die Optik ist edel, Scarlett Johansson endcool, die Action ordentlich und die Story grundsolide. Wer diesen Film unvoreingenommen betrachtet, wird auf gutem Niveau unterhalten. Der Film ist kein Meilenstein. Allerdings zeigt uns Sanders, wie man ein verdammt gutes Remake dreht.

8/10

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