Wednesday 17 May 2017

Die Göttliche Ordnung (2017)

Emanzipation à la Suisse: wohlgefällig und verschmitzt?

1971, in einem Schweizer Dörfchen: Nora (Marie Leuenberger) ist eine fleissige Hausfrau, die alles für ihren Mann Hans (Maximilian Simonischek) erledigt. Als Hans ihr verbietet, sich als Sekretärin in einem Reisebüro zu bewerben, setzt sich die bisher unpolitische Nora mit der Frauenbewegung der 68er auseinander. Zusammen mit drei Freundinnen – einer quirligen Oma (Sibylle Brunner), einer zugewanderten Italienerin (Marta Zoffoli) und einer misshandelten Bäuerin (Rachel Braunschweig) – versucht sie ihr Heimatdorf für die Anliegen der Frauen zu sensibilisieren; besonders im Hinblick auf die nahende Abstimmung über das Frauenstimmrecht. Mit ihrem Kampf seht sie mehr aufs Spiel, als nur ihre Ehe …

Die Göttliche Ordnung beschäftigt sich mit einem peinlichen Kapitel der Schweizer Geschichte: der erschreckend langsamen Einführung des Frauenstimmrechts. Was ein moralinsauerer Film hätte werden können, kommt erfrischend locker daher. Drehbuchautorin und Regisseurin Petra Volpe macht aus ihrer Hauptfigur keine flammend ernste Frauenrechtlerin: Nora ist in erster Linie eine kluge und liebevolle Mutter, die sich zunächst nur mit Widerwille und Schüchternheit aufs politische Parkett begibt. Die humorvollsten Szenen des Filmes spielen mit der Prüderie der vier Dorffrauen. Etwa dann, wenn sie nach Zürich an eine Demonstration reisen und von der Freizügigkeit der Stadt überrumpelt werden.

Der Plot folgt einem konventionellen Muster: Es geht um eine Aussenseiterin, die sich gegen eine Mehrheit durchsetzen muss, und dabei immer mehr Verbündete findet. Wenn sich die Frauen des Dorfes streikend im Gasthaus verschanzen und zusammenraufen, dann ist das ein überaus sympathisches Treiben. Es täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Story bis aufs Letzte vorhersehbar ist. Volpe geht inhaltlich kaum Risiken ein. Auch stilistisch verweilt sie im Bereich einer edlen Fernsehproduktion. Immerhin dürfte die zugängliche Präsentation dafür sorgen, dass der Film ein breiteres Publikum findet – was bei der Thematik natürlich durchaus zu begrüssen ist.

Die grössten Qualitäten des Filmes liegen sicherlich im Schauspiel. Marie Leuenberger als Nora ist bezaubernd: ihre Verwandlung von der schüchternen Mutter zur mutigen Politikerin ist ausserordentlich reizvoll. Sibylle Brunner mimt die forsche alte Dame mit sichtlichem Genuss, und Rachel Braunschweig als unglückliche Bauersfrau verleiht Die Göttliche Ordnung eine willkommene, emotionale Tiefe. Auch Maximilian Simonischek als Noras Ehemann Hans zeigt eine nuancierte Leistung: Er ist zwar fürs Frauenstimmrecht, muss aber aus politischen und beruflichen Gründen zurückhaltend sein. Simonischek macht diesen inneren Konflikt gut nachvollziehbar.

Obwohl die Dramaturgie des Filmes wenig originell ist, schneidet sie doch spannende und potentiell sperrige Themen an: die Pflichten einer Mutter, häusliche Gewalt, Zivilcourage und sexuelle Frustration. Manche Probleme werden überhastet aufgelöst, und einige Szenen springen zu schnell von Komödie zu Tragödie. Die Geschichte wirkt zuweilen holprig und holzschnittartig. Aber das ist wohl der Preis, den man für Massentauglichkeit zahlen muss.

Die Göttliche Ordnung ist eine verschmitzte und wohlgefällige Aufarbeitung der Schweizer Frauenbewegung in den 70er-Jahren. Sie wird niemanden schockieren, aber auch niemanden völlig begeistern. Als sachte Heranführung an ein wichtiges Thema kann dieser Film bestimmt einen prominenten Platz in der Schweizer Kinolandschaft einnehmen. Aber letztlich ist dieses Portrait der Emanzipation zu formelhaft, um ein echter Klassiker zu werden.

7/10

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